Zwei Drittel der beteiligten Bewohner von Eichmedien (Nakomiady)
waren bei einer Abstimmung der Ansicht, daß ihr Bismarck-Obelisk
vor dem Herrenhaus stehen bleiben soll. Mit diesem Votum setzte
sich die 600-Seelengemeinde über eine Anordnung des Wojewoden
in Allenstein hinweg, der den Stein beseitigt wissen wollte.
Wenige Monate nach dem Tode Bismarcks 1898 wurde der Viertonnen-Stein
mit der Gedenktafelaufschrift "Dem Eisernen Kanzler Otto von
Bismarck gewidmet 1899" errichtet. Der Obelisk stand dort bis
1965 völlig unbehelligt, bis die Behörden sich für
ihn interessierten und seine Beseitigung anordneten. Den Stein begrub
die Bevölkerung kurzerhand. Vergraben, um zu vergessen, aber
eben nicht endgültig beseitigt, wie die deutsche Geschichte
des südlichen Ostpreußen im Zuge der Polonisierungspolitik.
Bismarck gilt in Polen als "Polenfresser". Wenn Polen
auf den deutschen Reichseiniger zu sprechen kommen wird gerne ein
Zitat aus einem Bismarck-Schreiben an seine Schwester Alwine zitiert:
"Haut doch die Polen, daß sie am Leben verzagen. Wir
können, wenn wir bestehen wollen, nichts anderes tun, als sie
ausrotten." Bismarck hat eine solche Politik freilich nie praktiziert.
Sein Kulturkampf gegen den Katholizismus wird in Polen allerdings
noch heute als Krieg gegen das Polentum verstanden. Verhaftungen
katholischer Geistlicher bis hin zum polnischen Primas waren allerdings
ein wesentlicher Baustein zur Geschlossenheit der polnischen Nation.
Eine Geschlossenheit, die es in Polen über Jahrhunderte nicht
gegeben hatte.
Die früher und heute in Eichmedien lebenden Ostpreußen
und Polen haben an der Wiedererrichtung des Obelisks vor einigen
Monaten zusammengewirkt. Die Anordnung des Wojewoden und nun die
Entscheidung der Dorfbevölkerung haben kontroverse Diskussionen
und die für Polen so typischen heftigen Medienreaktionen hervorgerufen.
Immerhin es ist Wahlkampfzeit. Am 23. Oktober 2005 wird der neue
Staatspräsident gewählt. Da sind auch die politischen
Gemüter in der südostpreußischen Idylle hocherhitzt.
Kaczynski gegen Tusk im Kleinen halt.
Bei der Abstimmung hatten zwar von den 50 Abstimmenden nur 16 für
das Beseitigen des Obeliskes gestimmt, doch wird seitens der Verlierer
argumentiert, daß in dem Städtchen mehr als 600 Personen
wohnten und in der Einladung zur Versammlung von einer Abstimmung
nicht die Rede gewesen sei. Die Gruppe der Abstimmenden sei nicht
repräsentativ gewesen und deshalb habe ihr nicht zugestanden,
für alle Einwohner zu sprechen. Ein entsprechendes von 79 Einwohnern
der Stadt unterzeichnetes Schreiben ist inzwischen dem Gemeinderat
von Rastenburg-Land zugegangen.
Eichmedien liegt nur wenige Kilometer von Rastenburg und der "Wolfsschanze",
dem ehemaligen Führerhauptquartier, entfernt. Deutsche Touristen,
zumeist Vertriebene und ihre Nachkommen, sind in dieser Region die
wichtigste Einnahmequelle neben der Landwirtschaft.
Bernhard Knapstein
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