In ihrer bald 60-jährigen Geschichte hat die Landsmannschaft
Ostpreußen die höchste von ihr zu vergebende Auszeichnung,
den Preußenschild, nur drei Frauen verliehen. Eine davon war
die ostpreußische Dichterin Agnes Miegel. Eine andere ist
Ruth Vollmer-Rupprecht, den meisten unter ihrem Geburtsnamen Ruth
Geede bekannt. Es war Agnes Miegel, die die im Kriegswinter 1916
in Königsberg gebürtige Ruth Geede Anfang der dreißiger
Jahre ermunterte, ersten Veröffentlichungen in Zeitschriften
und beim Reichssender Königsberg ein journalistisches und publizistisches
Lebenswerk zur Bewahrung des Heimatgedankens folgen zu lassen.
Was 1935 mit "De Lävenstruuß", ihrem ersten
Buch mit plattdeutschen Märchen und Sagen aus Ostpreußen
begann, mündete in einem Gesamtwerk von bisher über fünfzig
Büchern mit Lyrik und Prosa nebst Hörspielen und Bühnenstücken.
Sie wäre nicht sie selbst, würde sie nicht unermüdlich
zwischen regelmäßigen Autorenlesungen bereits an ihrer
nächsten Publikation arbeiten.
Im Jahr ihrer kritischen Geburt, sie war ein Frühchen, wurde
ihre spätere Mentorin Agnes Miegel als größte deutsche
Dichterin mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet. Als Achtjährige
erlebt die junge Geede, deren Vater Quästor an der Königsberger
Albertina ist, die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Miegel
mit. Einige Jahre später wird die Schülerin des Bismarck-Oberlyzeums
Miegels "Geschichten aus Altpreußen" lesen. Die
Faszination für ihre Heimat erfaßt die kulturell und
musisch erzogene Marjell immer mehr. Mit 17 schreibt sie erste Hörspiele
für den Rundfunk sowie Geschichten und Erzählungen in
Platt.
Miegel und Geede arbeiten bis zur Flucht über die Ostsee in
Königsberg. 1948 beginnt Geede ein Volontariat bei der Landeszeitung
Lüneburg, deren Hamburg-Redaktion sie später für
einige Jahrzehnte übernehmen wird.
Wesentlicher Eckstein im schöpferischen Wirken der Journalistin
ist die in den Sechzigern begründete und von ihr 1979 übernommene
Rubrik "Die ostpreußische Familie" in der Preußischen
Allgemeinen Zeitung/Das Ostpreußenblatt. Was zunächst
nur ein "schwarzes Brett der Ostpreußen" ist, macht
sie zu einer unverzichtbaren Institution, in die sie ihre ganze
heimatverbundene Seele einfließen läßt. Ob dramatische
Erinnerungen und Humoresken zu vermitteln oder Familien zusammenzuführen
sind, sie trifft stets den Ton ihrer Leser. Und diese zeigen sich
dankbar und mitteilungsfreudig. Aus einer kleineren redaktionellen
Aufgabe ist das Dialog-Forum eines ganzen Volksstammes geworden.
Mit preußischer Disziplin und wahrer Leidenschaft verarbeitet
die bald Neunzigjährige ein unermeßliches Aufkommen an
Leserpost. Längst bekennen sich auch Nicht-Ostpreußen
zu ihrer Sucht nach jenen Zeilen, die stets mit einem herzlichen
"Lewe Landslied!" beginnen.
Ihre Leser nennen die vielfach ausgezeichnete Journalistin und
Schriftstellerin liebevoll "Mutter der ostpreußischen
Familie". Eine Huldigung, die analog zuvor nur Agnes Miegel
zuteil wurde. Wie diese beschreibt Geede ihre Heimat nicht, - sie
selbst verkörpert Ostpreußen und seine Menschen. Auf
Ruth Geede trifft ein Satz Walter Schefflers: "Ich trag meiner
Heimat Gesicht."
Bernhard Knapstein
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